Von Maximilian Kühne
Von Maximilian Kühne
Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie zum Online-Kaufverhalten im B2B-E‑Commerce 2017 von ibi research. Im Interview mit eCube berichtet Dr. Georg Wittmann, Projektleiter der Studie, über Herausforderungen und Trends im B2B-E‑Commerce.
In Ihren Studien kommen Sie zu dem Ergebnis, dass B2B E‑Commerce enormes Potenzial hat, aktuell aber häufig noch in den Kinderschuhen steckt. Wo stehen B2B Händler heute in Sachen E‑Commerce? Welche Trends zeichnen sich ab?
Unsere Analysen, aber auch viele Projekte, die wir begleiten, zeigen, dass E‑Commerce im B2B kein Randthema mehr ist, sondern längst Fahrt aufgenommen hat. Sowohl Händler als auch Hersteller haben damit begonnen, E‑Commerce-Projekte aufzusetzen, intern Teams zu bilden und entwickeln gemeinsam mit Dienstleistern Strategien. Die Ausgangssituation ist im Einzelfall je nach Größe und Historie eines Unternehmens sehr unterschiedlich. Sehr weit vorne sind Händler, die ihre Vertriebsprozesse und ihr Produktdatenmanagement schon früh weitgehend digitalisiert haben. Hier findet man bereits Shopsysteme, die nicht nur an die Anforderungen der Käufer angepasst sind – Stichwort: Mobile Responsiveness – sondern auch die Prozesse dahinter laufen in hohem Maße integriert ab. Hier waren Händler im B2C im Vergleich lange weit voraus.
Auf der anderen Seite stecken viele B2B-Händler in der Tat noch in den Kinderschuhen. Auch wenn in den meisten Fällen zumindest schon das Bewusstsein vorhanden ist, dass sie etwas tun müssen. Was fehlt ist häufig ein tragfähiger Plan, denn solche Unternehmen tun sich schwer mit der Entwicklung einer E‑Commerce-Strategie. Das beginnt schon bei der Frage, ob man einen eigenen Shop aufbauen soll oder besser auf Plattformen wie Amazon Business, Mercateo oder Alibaba setzt. Viele Händler treibt dabei auch die Frage der Internationalisierung um, vor allem dann, wenn nationales und internationales Geschäft bisher über getrennte Kanäle abgewickelt wurden. Hier beobachten wir den Trend, verschiedene Kanäle im Sinne einer Omni-Channel-Strategie zu integrieren. Auch wenn dies bei vielen Händlern noch graue Theorie ist.
Welche Rolle spielen Marktplätze im B2B E‑Commerce?
Anders als im B2C, wo Händler häufig keine andere Wahl haben, als beispielsweise auf Amazon vertreten zu sein, verfügen Händler im B2B oftmals über gewachsene Kundenbeziehungen, die den Verkauf über einen eigenen Shop nahelegen. Denn vorhandene Verkaufsprozesse müssen hier im Grunde nur digitalisiert werden, ohne eine neue Verkaufsstrategie entwickeln zu müssen. Diese Unternehmen brauchen keinen externen Marktplatz für ihren Verkauf. Zumal Amazon & Co. aktuell noch dort an Grenzen stoßen, wo es um stark erklärungsbedürftige Produkte geht oder besondere Anforderungen an Kaufprozesse bestehen. Eine E‑Commerce-Strategie, die allein auf Marktplätze ohne eigenen Shop setzt, kommt derzeit nicht für alle Händler in Betracht.
Mit welchen Herausforderungen sehen sich B2B Händlern in Shop-Projekten konfrontiert?
Viele Händler unterschätzen die Komplexität von Shop-Projekten im B2B. Schwierigkeiten bereiten hier besonders die Produktdaten, die häufig nicht in der notwendigen Qualität verfügbar sind. Angefangen bei fehlendem Bildmaterial, über unvollständige Produktbeschreibungen bis hin zu Mängeln in der technischen Aufbereitung, was verhindert, das die Daten automatisiert im Shop verarbeitet werden können. Zudem werden Daten in vielen Unternehmen in verschiedenen Applikationen verwaltet und müssen für einen Online-Shop zunächst zusammengeführt, sprich: konsolidiert, werden.
Grundsätzlich stellen wir fest, dass viele Händler das Thema E‑Commerce strategisch nicht richtig durchdenken. Hier fehlt häufig eine übergeordnete Zielsetzung, an der sämtliche Maßnahmen ausgerichtet werden. Aber auch im Bereich der Vertriebsstrategie mangelt es häufig daran, E‑Commerce in Abstimmung mit anderen Vertriebswegen integriert zu denken und umzusetzen. Das ist besonders dann wichtig, wenn Händler ihre Produkte über einen mehrstufigen, darunter auch indirekten Vertrieb, verkaufen. Die Herausforderung liegt in solchen Fällen darin, den Shop in bestehende Strukturen im Unternehmen einzubinden.
E‑Commerce-Lösungen im B2B unterscheiden sich in ihren Anforderungen deutlich von denen im B2C, angefangen bei der Gestaltung des “Showrooms”, über Besonderheiten im B2B-Einkauf bis hin zu komplexen Preislogiken, die so im B2C nicht existieren. Das unterschätzen auch E-Commerce-Dienstleister, die eher im B2C tätig sind und stellen dann fest, dass Erfahrungen aus dem B2C nicht mal eben 1:1 auf B2B-Projekte übertragen werden können. Hier sind Händler gut beraten, sich nach einem Dienstleister mit fundierter B2B-Erfahrung umzusehen.
Was raten Sie Händlern im B2B, die in den Online-Handel einsteigen wollen?
Wir empfehlen Unternehmen, die am Anfang stehen, sich zunächst mit Online-Händlern und Dienstleistern intensiv auszutauschen. Das dient einer umfassenden Vorbereitung und Orientierung, kommt aber häufig zu kurz, wenn es schnell gehen muss und eine gewisse Ungeduld das Projekt treibt. Auf der anderen Seite gibt es Unternehmen, die das Thema E‑Commerce mit einem übertriebenen Anspruch und Perfektionismus angehen. Der goldene Weg liegt in der Mitte: Händler sollten sich die Zeit nehmen, im Austausch das nötige Wissen aufzubauen, dann aber zeitig mit einem konkreten Konzept starten. Das kann und muss zu Beginn noch nicht perfekt sein, sondern wird idealerweise nach agilen Prinzipien nach und nach weiterentwickelt.
Die schrittweise Umsetzung einer E‑Commerce-Strategie hat auch den Vorteil, dass das ganze Unternehmen – Strukturen, Prozesse und Mitarbeiter – der Veränderung folgen kann. Das bedarf in vielen Fällen einer intensiven Begleitung durch ein Change Management, vor allem dann, wenn es darum geht, die Kultur eines Unternehmens in Richtung E‑Commerce zu verändern. In vielen Projekten müssen dafür zunächst Ressentiments in den “klassischen” Vertriebskanälen beseitigt werden, die eine digitale Transformation behindern könnten.
Gerade zu Beginn eines Projektes ist es wichtig, das Augenmerk nicht ausschliesslich auf die Kosten zu richten, die beim Aufbau eines Shops entstehen. Vielmehr sollten Händler beispielsweise die Entscheidung “Make or buy” an Faktoren orientieren, die mittel- bis langfristig Kosten verursachen können: Welche Lizenzkosten fallen an? Wie oft sind technische Anpassungen nötig? Welche Tagessätze verlangen Dienstleister für die präferierte Lösung im Vergleich zu anderen Lösungen? Die Wirtschaftlichkeit einer Lösung ergibt sich immer aus der Gesamtschau einmaliger und laufender Kosten.
Wie bereits erwähnt, unterschätzen viele Händler die Komplexität von E‑Commerce-Projekten. Es macht deshalb in jedem Fall Sinn, sich Unterstützung und Expertise von außen zu holen, auch wenn das im Einzelfall einer “Do-it-yourself”-Kultur im Unternehmen widerspricht.
Über Dr. Georg Wittmann
Dr. Georg Wittmann ist Research Director bei ibi research an der Universität Regensburg. Er forscht und berät im Bereich der digitalen Transformation mit den Schwerpunkten B2C- und B2B-E‑Commerce sowie E-Payment, E-Finance, Online- und Social-Media-Marketing. Der studierte Diplom-Kaufmann war während seines Studiums im Business Development/Marketing bei Consors Discount-Broker tätig und anschließend wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik an der Universität Regensburg. Seit 2005 ist er bei ibi research an der Universität Regensburg GmbH tätig. Er ist Projektleiter der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) gefördert Mittelstand 4.0-Agentur Handel sowie Mitautor des E-Commerce-Leitfadens (www.ecommerce-leitfaden.de) und Autor zahlreicher Fachartikel und Studien.
Dr. Georg Wittmann war von 2013 bis 2015 Leiter des Fachbereichs E-Payment des Bundesverbands der Dienstleister für On-line-Anbieter BDOA e. V., Köln und ist seit 2015 Mitglied des Präsidiums des Händlerbunds e.V., Leipzig.